Textilrecycling
4000 Lastwagenladungen Altkleider pro Jahr
Was macht ihr eigentlich mit Kleidung, die ihr nicht mehr tragt? Spenden, Verschenken, Verkaufen, Wegwerfen? Hierzulande werden gemäss Angaben von TEXAID pro Person jedes Jahr geschätzt 8kg Kleidung aussortiert, wovon rund 6kg in Kleidercontainern und -sammlungen landen. Bei über acht Millionen Einwohner:innen entspricht das bis zu 50'000 Tonnen Kleidern, die in der Schweiz pro Jahr in Altkleidersammlungen wandern. Damit man sich ein besseres Bild davon machen kann: Das entspricht etwa 4000 bis 5000 Lastwagenladungen.
Kleiderspenden für einen guten Zweck?
Die meisten Kleidersammelstellen in der Schweiz gehören zu TEXAID oder Tell-Tex. Diese beiden grössten Schweizer Altkleidersammler wurden von gemeinnützigen Stiftungen gegründet und Unterstützen diese mit ihrem Gewinn. Hinter TEXAID stehen unter anderem Caritas, HEKS, die Winterhilfe oder das Schweizerische Rote Kreuz, Tell-Tex vertritt die Schweizer Berghilfe, Stiftung Kinderdorf Pestalozzi und die Schweizerische Vereinigung der Gelähmten.
Für Textilien, die in Altkleidercontainern gespendet werden können, gibt es klare Vorgaben. So dürfen zum Beispiel nur saubere, noch tragbare Kleidung oder Schuhpaare in den Säcken abgegeben werden. Die gesammelte Kleidung wird dann teilweise in der Schweiz, teilweise aus Kapazitätsgründen im Ausland von Hand sortiert und in «weiterhin tragbar», «Textilrecycling» oder «thermische Verwertung» eingeteilt.
Altkleiderexport ins Ausland: Ein toxischer Kreislauf, in dem die billigen Arbeitskräfte für Wertschöpfung im Westen ausgenützt werden und eine eigene, heimische Industrie durch die Billigexporte und Rückführung unserer Fast-Fashion-Abfallprodukte verhindert wird.
Die tragbare Kleidung, die immerhin fast 60% der eingegangenen Ware ausmacht, wird in eigenen Secondhandläden verkauft oder sortiert an Kleiderhändler ins Ausland verkauft. Das geschieht in Form von zu Ballen geschnürten Wagenladungen an Händler aus Europa, Asien und Afrika. Kleider, die aus Kapazitätsgründen nicht in der Schweiz sortiert werden können, werden – ebenfalls in riesigen Bündeln – direkt an Sortierwerke im Ausland weiterverkauft.
Nun ist der grossflächige Export westlicher Altkleidung in diese Länder sicher kritisch zu betrachten. Ein toxischer Kreislauf, in dem die billigen Arbeitskräfte für Wertschöpfung im Westen ausgenützt werden und eine eigene, heimische Industrie durch die Billigexporte und Rückführung unserer Fast-Fashion-Abfallprodukte verhindert wird. Verschiedene Länder in Ostafrika aber auch z.B. Indien haben denn auch bereits versucht, sich gegen den Handel mit Secondhandkleidung zu wehren, bisher allerdings mit wenig Erfolg. Immerhin werden durch den Handel mit gebrauchten Kleidungsstücken in den Zielmärkten auch Arbeitsplätze geschaffen, wenn auch nicht in dem Ausmass, wie es mit einer heimischen Produktion möglich wäre.
Textilrecycling heute muss eher als Downcycling bezeichnet werden, denn die Kleidung wird in diesem Prozess zu minderwertigen Materialien wie Putzlappen oder industriellem Dämmmaterial verwertet.
Die rund 40 Prozent der Kleidung, die nicht weitergetragen werden können, werden in Textilrecycling und thermische Verwertung unterteilt. Das betrifft zum Beispiel verschmutzte oder kaputte Kleidung, die beim Recycling zu Putzlappen zerschnitten werden oder in Reissanlagen in ihre Faser-Einzelteile zerlegt und danach zu Dämmmaterial oder Vlies für die Industrie verarbeitet werden. Es handelt sich dabei also nicht um Recycling im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr um ein Downcycling, eine Wertminderung.
Die übrigbleibenden Textilien werden der sogenannt thermischen Verwertung zugeführt, in anderen Worten, als Kehricht verbrannt.
Keine neue Kleidung aus alten Fasern?
Aus unterschiedlichen Gründen ist es heute noch schwierig, Textilien werterhaltend zu recyceln. Einerseits werden für Fast-Fashion-Kleidungsstücke aus Billigproduktionen oft kurze, dünne und damit qualitativ schlechte Fasern verwendet. Kleidung wird heute nicht mehr hergestellt, um besonders langlebig und robust zu sein, die Konsument:innen sollen mit jeder neu veröffentlichten Kollektion neu einkaufen. Die schlechte Faserqualität erschwert das Recycling.
Eine weitere Schwierigkeit stellt dar, dass sehr viele Kleidungsstücke aus Mischgeweben bestehen, für eine Verwertung als neuer Rohstoff aber reine Rohstoffe nötig sind. Das betrifft Stoffe aus gemischten Garnen, stellt aber bereits ein Problem dar, wenn nur die Etiketten, Stickereien oder Garne, mit denen ein Kleidungsstück vernäht wird, aus unterschiedlichen Fasern bestehen. Man kann beim Recycling heute nur mit mühsamer Handarbeit herausfinden, welche Textilfasern in einem Kleidungsstück stecken und oft ist es nicht einmal so möglich.
Neben Alttextilien fallen in der Textilindustrie auch viele Produktionsabfälle an. Während der Herstellung von Bekleidung entstehen je nach Kleidungsstück und Hersteller ca. 12 bis 25 Prozent Schnittabfälle. Auch hier gibt es noch keine flächendeckenden Lösungen für die Wiederverwertung, die in die Nähe eines Kreislaufgedankens kommen.
Es gibt viele preisgekrönte Ansätze und Projekte für Textilrecycling, trotzdem werden aktuell weltweit weniger als 1% aller Textilabfälle zu neuen Textilien.
Trotzdem gibt es verschiedene teils erfolgversprechende Ansätze, Recycling von Kleidung künftig möglich zu machen. Es ist ein Forschungszweig, an dem sich viele Unternehmen und Institutionen beteiligen, von Kleidersammlern wie TEXAID über Modehersteller oder Regierungen. Viele Preise wurden bereits an Unternehmen und Projekte verliehen, die in diesem Bereich interessante Fortschritte gemacht haben. Die Ansätze und Projekte sind allerdings grösstenteils noch in Konzeptions-, Lab- oder Testphasen und für die grossflächige Anwendung noch nicht bereit.
Welche Ansätze zum Recycling gibt es?
Die Europäische Union hat 2015 ein grosses Projekt mit dem Namen RESYNTEX gestartet, das zum Ziel hatte, eine Kreislaufwirtschaft für die Textilindustrie zu prüfen. Dabei konnten einige Meilensteine und erste Pilotergebnisse erzielt werden und es wird nun geprüft, in welchem Rahmen die Ergebnisse tatsächlich in die Textilindustrie einfliessen können.
Es gibt erfolgreiche Ansätze und Projekte, Mischfasern durch chemische Behandlungen zu trennen, um sie danach als sekundäre Rohstoffe wiederzuverwerten. Dabei fallen jedoch beim Recycling viele Chemikalien an, die ebenfalls ihren Einfluss aufs Ökosystem haben.
Weitere Ansätze gehen in die Richtung, die Reisstechnologie zu verfeinern, so dass nach dem Zerreissen der Textilien unbeschädigte Stoffasern übrigbleiben und das Endprodukt nicht nur für Downcycling wie Putzlappen oder Malervlies verwendet, sondern tatsächlich wieder zu höherwertigen Textilien weiterverarbeitet werden kann.
Verschiedene Start-ups und Projekte befassen sich mit der Idee, den Recycling-Gedanken bereits beim Design und bei der Produktion der Textilien einfliessen zu lassen. Das sind dann beispielsweise Ansätze wie eine Software als Designhilfe für die Auswahl der besten Materialien oder maschinenlesbare Informationen über Rohstoffzusammensetzungen in Labels und Etiketten der Kleidung, so dass beim Lifecycle-Ende durch Sortiermaschinen automatisch ausgelesen werden kann, welche Rohstoffe in einem aussortierten Kleidungsstück stecken. Oder die Entwicklung von Technologien, durch die direkt die Fasern in einem Kleidungsstück erkannt werden, damit diese maschinell sortiert werden können.
Auch wenn es wünschenswert ist, dass ein Kleidungsstück am Ende seines Lebenszyklus wieder in einen Kreislauf zurückgeführt wird und zu neuen Produkten verarbeitet werden kann, ist es gleichzeitig sinnlos, mit der aktuellen Überproduktion weiterzufahren und Dinge zu recyceln, die genau genommen gar nie einen Lebenszyklus hatten.
Alle diese erfolgversprechenden Ansätze stecken jedoch noch in den Kinderschuhen und sind im Moment nicht grossflächig einsetzbar. Zudem kommen die in den jeweiligen Projekten engagierten Expert:innen ziemlich einheitlich zum Schluss, dass ein verbessertes Recycling nur ein Pfeiler für die dringend nötigen Veränderungen in der Textilindustrie sein kann. Denn, auch wenn es wünschenswert ist, dass ein Kleidungsstück am Ende seines Lebenszyklus wieder in einen Kreislauf zurückgeführt wird und zu neuen Produkten verarbeitet werden kann, ist es gleichzeitig sinnlos, mit der aktuellen Überproduktion weiterzufahren und Dinge zu recyceln, die genau genommen gar nie einen Lebenszyklus hatten. Das ist nur eine unnötige Energieverschwendung.Wichtig für eine Kreislaufwirtschaft ist ein ganzheitliches Umdenken aller Player, das die folgenden Schwerpunkte beinhaltet:
- Einen Mindset-Change von der Herstellung bis zu den Endkund:innen: Die Art und Weise, wie Kleidung designed, hergestellt, verkauft und verwendet wird, muss sich grundlegend ändern: Der Kreislaufgedanke muss bereits beim Textildesign eine Rolle spielen, dazu gehört auch die Vermeidung von Überproduktionen, Kollektionen und Modeerscheinungen, die nach wenigen Wochen wieder aussortiert werden.
- Substanzen und Praktiken, die die Umwelt schädigen und die Gesundheit der Arbeitnehmenden beeinträchtigen, müssen gestoppt / verändert werden. Über die ganze Lieferkette müssen sich eine effizientere Ressourcennutzung und die Verwendung erneuerbarer Energien etablieren. Nachhaltigkeit muss mehr sein als ein Verkaufsargument
- Kleidung muss von den Endkunden wieder anders wahrgenommen werden: Sie muss für eine lange Zeit erworben werden, nicht als Modetrend
- Um eine solche Veränderung bewirken zu können, reichen ein paar bewusste Konsument:innen nicht aus. Es braucht eine entsprechende Gesetzgebung und die grossen Konzerne müssen wirklich an Bord sein – nicht nur zu Marketingzwecken
Und was tun wir jetzt konkret, kurzfristig?
Jeder Kauf ist ein Statement. Wir sollten nur das kaufen, was wir wirklich benötigen und dann darauf achten, dass die Kleidungsstücke lange halten. Zudem tun wir sowohl der Umwelt als auch den Menschen, die in den Lieferketten der Textilindustrie arbeiten, einen Gefallen, wenn wir genau hinschauen, wo und unter welchen Bedingungen ein Kleidungsstück hergestellt wurde.
Quellen und weiterführende Informationen
- Artikel im Deutschlandfunk über aktuelle Forschungsprojekte im Bereich Textilrecycling
- Swissinfo Beitrag über Texaid AG und ihre Herausforderungen
- SRF stellt die Frage, ob Händler ungetragene Kleidung entsorgen
- Forschung zu Textilrecycling bei Texaid
- Recycling Projekte der EU: Recycling von Mischtextilien und Suche nach einer Kreislauflösung
- Die Erklärung von smart fiber sorting, wie das Trennen von Mischgewebe funktioniert.
- Eine wissenschaftliche Arbeit des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) zu Textilrecycling