Baumwolle – Wunderpflanze und Umweltsünder?
Ein Grossteil unserer Kleidung besteht aus Baumwolle. Sie ist eine wahre Wunderpflanze, wächst unkompliziert und ihre Samenfäden können ohne grosse Behandlung zu Textilgarnen versponnen werden. Textilien aus Baumwolle sind sehr hautverträglich und können viel Feuchtigkeit aufnehmen. Da Baumwolle eine reine Naturfaser ist, sind Kleider aus Baumwolle biologisch abbaubar und könnten theoretisch kompostiert werden. Nur theoretisch, weil die Behandlung der Stoffe durch Färben oder Faserveredelungen die Fasern verändern, weil die Kleidungsstücke oft aus Mischfasern bestehen oder zumindest synthetische Nähte oder Etiketten haben.
Baumwolle steht häufig in der Kritik.
Der Baumwollanbau macht 2,5% der weltweiten Ackerbau-Flächen aus und auf diesem kleinen Anteil werden unglaubliche 25% der weltweit eingesetzten Insektizide verteilt. Auch Unkraut- und Entlaubungsmittel werden grosszügig eingesetzt, um die maschinelle Ernte zu erleichtern und der trockene, nährstoffarme Boden braucht oft viel Düngemittel. Um die Schädlingsbekämpfung zu vereinfachen, wird zudem das Saatgut genetisch verändert. Rund 80% des Baumwoll-Saatgutes sind heute bereits genetisch verändert. Ein weiteres Problem ist die Bewässerung. Für ein T-Shirt (ca. 500g Baumwolle) werden 5000 bis 10'000 Liter Wasserverbraucht.
Wie kommt es dazu, dass eine eigentlich unkomplizierte Pflanze einen solch immensen Chemikalien- und Bewässerungsaufwand verursacht?
Ursprung der Problematik ist die schnell gestiegene Nachfrage nach Baumwolle. Ein Grossteil davon geht in die Textilindustrie, aber auch für die Herstellung von Watte, Seilen, Planen und Zelten, Kaffeefilter oder teilweise sogar Banknoten wird Baumwolle benötigt.
Diese Nachfrage hat zu den heutigen Problematiken geführt. Die Bauern haben aufgehört, Nahrungsmittel anzupflanzen, weil der Handel mit Baumwolle lukrativer ist. Dadurch werden sie von den Baumwollabnehmern abhängig und sind damit dem Preisdruck stärker ausgesetzt. Zudem führt dieses Vorgehen zu Monokulturen und entsprechend schlechteren Erträgen, da der Boden durch die fehlende Fruchtfolge immer mehr Nährstoffe verliert und nicht mehr gleich ergiebig ist. Ein weiterer Nachteil ist, dass mehr Schädlinge auftreten, da durch die Monokulturen die natürlichen Feinde der Schädlinge verschwinden. In einem ungesunden Kreislauf müssen daher immer mehr Düngemittel und Pestizide eingesetzt werden, die die Bauern wiederum Geld kosten und den Ertrag schmälern.
In den USA und Australien, beide ebenfalls unter den grössten Baumwollproduzenten weltweit, wird praktisch ausschliesslich maschinell geerntet. Um diese Ernte möglichst effizient zu gestalten, werden die Baumwollpflanzen vor der Ernte mit chemischen Mitteln entlaubt. Dass ein wiederholter und grossflächiger Einsatz solch aggressiver Mittel für Mensch und Umwelt nicht optimal ist, muss hier wahrscheinlich nicht erwähnt werden.
Weil das Geld für und oft auch das Wissen über effiziente Bewässerungssysteme fehlt, wird Flusswasser abgezweigt und so werden ganze Felder geflutet, mit massiven Folgen für die Ökosysteme
Kommen wir nochmals auf den Wasserverbrauch zurück. Im Prinzip ist Baumwolle zumindest im Vergleich zu anderen Feldfrüchten, wie z.B. Mais, keine sehr durstige Pflanze. Sie wächst auch in trockenen Regionen gut und braucht für ihr Wachstum heisse Temperaturen und viel Sonne. Darum wird sie oft in wasser- und niederschlagsarmen Gebieten angepflanzt. Während der Keimzeit sowie während der Blüte- und Kapselentwicklung benötigt die Pflanze allerdings genügend Wasser, um möglichst ertragreich zu sein. In den meisten Fällen ist dafür aufgrund des trockenen Klimas künstliche Bewässerung notwendig.
Weil es meist nicht möglich ist, Kapital in effiziente Bewässerungsanlagen oder ‑mechanismen zu investieren, wird das wertvolle Gut Wasser ineffizient genutzt. Viele Baumwollfelder werden nicht mit der genau benötigten Wassermenge bewässert, sondern durch Umleiten von Flüssen geflutet. Dabei kann nur ein kleiner Teil des verbrauchten Wassers tatsächlich von der Pflanze aufgenommen werden, Unkrautwuchs und Schädlingsbefall werden durch das feuchte Klima begünstigt und die Böden versalzen und werden immer weniger fruchtbar.
Ein vielgenanntes und sehr unschönes Beispiel für diese Bewässerungspraktiken und ihre Folgen ist die Geschichte des Aralsees. Die Zuflüsse dieses einst viertgrössten Binnengewässers der Welt wurden extensiv für die Bewässerung der umliegenden Felder genutzt, was dazu geführt hat, dass zu wenig Wasser in den See nachgeflossen ist. Der See ist auf 25% seiner ursprünglichen Grösse geschrumpft und das freigewordene Land ist versalzen und weitgehend unfruchtbar.
Es geht auch anders
Ziel des Baumwollanbaus nach kontrolliert biologischem Anbau ist es, genau diese Fehler zu vermeiden und nach nachhaltigen Kriterien zu wirtschaften. Im biologischen Anbau ist die Fruchtfolge vorgeschrieben und es darf nicht zu Monokulturen kommen. So ist automatisch eine bessere Bodenqualität gegeben und durch die ausgewogeneren Ökosysteme sind solche Felder weniger von Schädlingsbefall betroffen.
Der Einsatz von chemischen Pestiziden und gentechnisch verändertem Saatgut ist in der Bioproduktion verboten. Biobaumwolle benötigt gleich viel Wasser wie herkömmliche Baumwolle, um optimal zu wachsen. Allerdings wird Biobaumwolle oft in niederschlagsreicheren Gegenden angebaut, wobei mit gesammeltem Regenwasser bewässert werden kann. Zudem setzen sich die Bauern, die Biobaumwolle anbauen, intensiv mit nachhaltigem Anbau auseinander und erhalten diesbezüglich teilweise auch Schulungen und Unterstützung, was ebenfalls zu einer effizienteren Bewässerung führen kann. Für die Bauern hat ein biologischer Anbau neben der geringeren Schadstoffbelastung einen weiteren wichtigen Vorteil: Sie brauchen weniger Geld für teure Düngemittel und Pestizide, da sie diese ohnehin nicht einsetzen dürfen, und zertifizierte Biobaumwolle kann auf dem Markt zu einem höheren Preis verkauft werden.
Nur ein verschwindend kleines Prozent auf dem Baumwollmarkt
Aktuell macht der Anteil Biobaumwolle am Gesamt-Baumwollmarkt nur den verschwindend kleinen Anteil von einem Prozent aus. Der Schritt von konventionellem zu biologischem Anbau kann nicht von heute auf morgen gemacht werden. Es gibt aber verschiedene Institutionen, die Bauern auf diesem Weg unterstützen und begleiten. Beispielsweise die Fairtrade-Organisation mit dem Siegel Fairtrade Cotton, wobei den Partnern ein Mindestpreis für die gehandelte Baumwolle garantiert wird. Fairtrade Cotton ist zwar kein Biostandard, unterstützt Kleinbauern aber oft mit Ausbildungen, was zu nachhaltigerem Anbau führt und über längere Frist die Hersteller in Richtung biologische Produktion begleiten kann. Ähnliche Ansätze verfolgen die Better Cotton Initiative und Cotton made in Africa.
Baumwolle, die bereits nach strengen biologischen Richtlinien produziert wird, kann mit dem Siegel «kbA» aus kontrolliert biologischem Anbau gekennzeichnet werden. Wenn über die ganze Kette bis zum fertigen Kleidungsstück biologische und soziale Standards eingehalten und von unabhängigen Firmen überprüft wurden, darf ein Kleidungsstück mit einem Siegel wie GOTS oder MADE IN GREEN by OEKO-TEX® gekennzeichnet werden.
Ein lohnendes Geschäft, auch für Betrüger
Leider ziehen die höheren Preise für Biobaumwolle auch Betrüger an. Und davor sind auch renommierte Textilsiegel nicht gefeit. 2010 wurde ein grosser Betrugsfall in Indien aufgedeckt. Damals wurde im grossen Stil gentechnisch veränderte Baumwolle als Biobaumwolle gehandelt. Die Partnerfirmen der GOTS Organisation vor Ort, die die Abläufe und Praktiken eigentlich hätten überprüfen sollen, waren in den Betrugsfall involviert.
Auch 2017 hatte man bei Stichproben gentechnische Veränderungen in Baumwolle entdeckt, die als zertifizierte Biobaumwolle verkauft wurde. Schwierigkeiten sind neben möglichen Betrugsfällen (was in diesem Fall nicht nachgewiesen werden konnte) auch die Tatsache, dass konventionelle und Bio-Baumwolle oft nebeneinander angebaut und in denselben Betrieben verarbeitet werden. So kann es bei unsachgemässer Handhabung zu Vermischungen kommen.
Erst im Herbst letzten Jahres hat die GOTS Organisation einen neuen Betrugsfall aufgedeckt, bei dem Zertifikate für Biobaumwolle gefälscht wurden.
Eine 100%ige Sicherheit haben wir leider nicht, solange wir nicht selbst vor Ort nachschauen. Das gilt auch für die grossen und kleinen Unternehmen, die Biobaumwolle beziehen. Trotzdem ist Biobaumwolle am Schluss aus unserer Sicht immer die bessere Wahl. Die Tatsache, dass die oben genannten Fälle aufgedeckt und bekannt gemacht wurden, zeigt, dass diese Institutionen ihre Aufgaben ernst nehmen, Abläufe überprüfen und bei Fehlern reagieren.
Quellen und weiterführende Informationen:
- Die ZEIT über den grossflächigen GOTS-Betrug 2010
- Textile-Network über gentechnisch veränderte Organismen in Biobaumwolle (2017)
- Umweltdialog.de über den jüngsten Betrugsfall (2020)
- Fahion Changers im Expertengespräch über Biobaumwolle
- Oeko-fair.de über die Verarbeitung von Baumwolle
- Oeko-fair.de über Pestizideinsatz im Baumwollanbau